Nach Hundekot-Attacke Hundekot-Attacke: Ballettdirektor muss gehen, Werk bleibt Christina Sticht Nach seiner Hundekot-Attacke auf eine Kritikerin hat der Choreograf Marco Goecke seine Stelle als Ballettdirektor der Staatsoper Hannover verloren. «Dieser unüberlegte Übergriff auf die Journalistin und den Menschen Wiebke Hüster hat gegen zu viele Grundsätze des Staatstheaters verstoßen, dem Ruf des Hauses massiv geschadet und hat nicht zuletzt strafrechtliche Konsequenzen», sagte Opernintendantin Laura Berman am Donnerstag in Hannover. Dies könne auch Goecke nachvollziehen. «Daher haben wir uns in einem ausführlichen persönlichen Gespräch darauf geeinigt, seinen Vertrag als Ballettdirektor im gegenseitigen Einverständnis und mit sofortiger Wirkung aufzulösen.» Der 50-Jährige hatte am Samstagabend im Foyer des Opernhauses in Hannover die Journalistin mit Hundekot beschmiert. Zuvor hatte er Hüster in einer Pause der Premiere von «Glaube - Liebe - Hoffnung» vorgeworfen, immer «schlimme, persönliche» Kritiken zu schreiben. Drei Tage später bat der vielfach ausgezeichnete Choreograf öffentlich um Entschuldigung - machte Hüster aber zugleich weitere Vorwürfe. Die 57-Jährige reagierte entrüstet. «Was für eine Art von Entschuldigung soll denn das bitte sein? Das ist eine Rechtfertigung», sagte die Kritikerin der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» im 3sat-Magazin «Kulturzeit». Die Interviews nach dem Übergriff zeigten nur eine Seite von Goecke, sagte die Intendantin, die sich als «Freundin» des Künstlers bezeichnete. «Gestern habe ich im persönlichen Gespräch einen Marco Goecke erlebt, der am Boden zerstört ist.» Auf Nachfrage verwies die Opernchefin darauf, dass der Choreograf schon vor Jahren seine gesundheitlichen Probleme in dem Stück «Thin Skin» verarbeitet habe. Dazu gibt es auch eine gleichnamige TV-Dokumentation, in der Goecke von Ängsten, seinen «Dämonen» spricht. Das gegen ihn ausgesprochene Hausverbot in der Staatsoper bleibt vorerst bestehen. In einem am Montagabend im NDR und WDR ausgestrahlten Interview sagte Goecke zu der Tat: «Das war absolut im Affekt.» Sein alter Dackel habe in seine Tasche gemacht, was manchmal in dem Alter passiere. Er habe das Häufchen in eine Tüte gepackt und draußen entsorgen wollen. Hüster hatte dagegen am Sonntag von einer geplanten Tat gesprochen. «Das war Vorsatz», sagte sie. Die Polizei Hannover ermittelt gegen Goecke wegen des Verdachts der Körperverletzung und Beleidigung. Berman sagte nicht, ob Goecke eine Abfindung erhält. Über Einzelheiten des Aufhebungsvertrags sei Stillschweigen vereinbart worden. Goeckes Werke werden an großen Bühnen in Europa gezeigt. Andere Häuser haben bereits signalisiert, dass sie trotz der Hundekot-Attacke weiter mit ihm zusammenarbeiten wollen. Auch die Staatsoper Hannover will seine Stücke im Repertoire behalten, wie etwa sein «Meisterwerk «Der Liebhaber»», wie die Intendantin sagte. «Wir glauben nicht, dass das Werk eines Künstlers aufgrund einer einzelnen unüberlegten Tat - so widerlich sie auch sein mag - komplett verdammt werden sollte.» Bis über eine längerfristige Nachfolge entschieden wird, übernimmt der stellvertretende Ballettdirektor Christian Blossfeld die Leitung der Compagnie. Die Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts sind laut dieser Regelung mindestens bis Sommer 2024 sicher an der Staatsoper Hannover angestellt. Berman charakterisierte Goecke als «mitfühlenden, rücksichtsvollen, humorvollen, gelegentlich sehr verletzlichen Menschen», mit dem bisher «ohne irgendeine Form von Aggression von seiner Seite» zusammengearbeitet worden sei. Der eklige Übergriff hat international Schlagzeilen gemacht, unter anderem die britische BBC und die US-Zeitung «New York Times» berichteten darüber. Die Attacke löste auch eine Debatte über das angespannte Verhältnis von Kunst und Kritik aus. «Gute, verantwortungsvolle Kritik ist gefährdet», meinte Berman, «polarisierende Äußerungen erzeugen mehr Aufmerksamkeit, mehr Klicks». Selbstverständlich entschuldige oder rechtfertige der auf Künstlern lastende Druck keine Übergriffe jeglicher Art. Die Staatstheater Hannover GmbH wird vom Land Niedersachsen finanziert, Kulturminister Falko Mohrs ist Aufsichtsratsvorsitzender. «Die sofortige Trennung von Marco Goecke ist nach seinem völlig inakzeptablen Verhalten unausweichlich», sagte der SPD-Politiker. Eine Vertragsauflösung schaffe sofortige Klarheit. Mohrs hatte zuvor wie bereits auch Berman die Journalistin Wiebke Hüster um Entschuldigung gebeten. Goecke ist auch Artist in Residence im Theaterhaus Stuttgart. Dort muss er keine Folgen für sein Engagement befürchten, wie eine Sprecherin von Gauthier Dance, der Compagnie des Theaterhauses, bereits am Montag sagte. Auch das Nederlands Dans Theater will seine Tour mit Goeckes Stück «In the Dutch Mountains» fortsetzen.
Nach Hundekot-Attacke

Hundekot-Attacke: Ballettdirektor muss gehen, Werk bleibt

Blick auf die Staatsoper von außen. © Julian Stratenschulte/dpa
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Nach seiner Hundekot-Attacke auf eine Kritikerin hat der Choreograf Marco Goecke seine Stelle als Ballettdirektor der Staatsoper Hannover verloren. «Dieser unüberlegte Übergriff auf die Journalistin und den Menschen Wiebke Hüster hat gegen zu viele Grundsätze des Staatstheaters verstoßen, dem Ruf des Hauses massiv geschadet und hat nicht zuletzt strafrechtliche Konsequenzen», sagte Opernintendantin Laura Berman am Donnerstag in Hannover. Dies könne auch Goecke nachvollziehen. «Daher haben wir uns in einem ausführlichen persönlichen Gespräch darauf geeinigt, seinen Vertrag als Ballettdirektor im gegenseitigen Einverständnis und mit sofortiger Wirkung aufzulösen.»

Der 50-Jährige hatte am Samstagabend im Foyer des Opernhauses in Hannover die Journalistin mit Hundekot beschmiert. Zuvor hatte er Hüster in einer Pause der Premiere von «Glaube - Liebe - Hoffnung» vorgeworfen, immer «schlimme, persönliche» Kritiken zu schreiben. Drei Tage später bat der vielfach ausgezeichnete Choreograf öffentlich um Entschuldigung - machte Hüster aber zugleich weitere Vorwürfe. Die 57-Jährige reagierte entrüstet. «Was für eine Art von Entschuldigung soll denn das bitte sein? Das ist eine Rechtfertigung», sagte die Kritikerin der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» im 3sat-Magazin «Kulturzeit».


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Die Interviews nach dem Übergriff zeigten nur eine Seite von Goecke, sagte die Intendantin, die sich als «Freundin» des Künstlers bezeichnete. «Gestern habe ich im persönlichen Gespräch einen Marco Goecke erlebt, der am Boden zerstört ist.» Auf Nachfrage verwies die Opernchefin darauf, dass der Choreograf schon vor Jahren seine gesundheitlichen Probleme in dem Stück «Thin Skin» verarbeitet habe. Dazu gibt es auch eine gleichnamige TV-Dokumentation, in der Goecke von Ängsten, seinen «Dämonen» spricht. Das gegen ihn ausgesprochene Hausverbot in der Staatsoper bleibt vorerst bestehen.

In einem am Montagabend im NDR und WDR ausgestrahlten Interview sagte Goecke zu der Tat: «Das war absolut im Affekt.» Sein alter Dackel habe in seine Tasche gemacht, was manchmal in dem Alter passiere. Er habe das Häufchen in eine Tüte gepackt und draußen entsorgen wollen. Hüster hatte dagegen am Sonntag von einer geplanten Tat gesprochen. «Das war Vorsatz», sagte sie. Die Polizei Hannover ermittelt gegen Goecke wegen des Verdachts der Körperverletzung und Beleidigung.

Berman sagte nicht, ob Goecke eine Abfindung erhält. Über Einzelheiten des Aufhebungsvertrags sei Stillschweigen vereinbart worden. Goeckes Werke werden an großen Bühnen in Europa gezeigt. Andere Häuser haben bereits signalisiert, dass sie trotz der Hundekot-Attacke weiter mit ihm zusammenarbeiten wollen.

Auch die Staatsoper Hannover will seine Stücke im Repertoire behalten, wie etwa sein «Meisterwerk «Der Liebhaber»», wie die Intendantin sagte. «Wir glauben nicht, dass das Werk eines Künstlers aufgrund einer einzelnen unüberlegten Tat - so widerlich sie auch sein mag - komplett verdammt werden sollte.»

Bis über eine längerfristige Nachfolge entschieden wird, übernimmt der stellvertretende Ballettdirektor Christian Blossfeld die Leitung der Compagnie. Die Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts sind laut dieser Regelung mindestens bis Sommer 2024 sicher an der Staatsoper Hannover angestellt.

Berman charakterisierte Goecke als «mitfühlenden, rücksichtsvollen, humorvollen, gelegentlich sehr verletzlichen Menschen», mit dem bisher «ohne irgendeine Form von Aggression von seiner Seite» zusammengearbeitet worden sei.

Der eklige Übergriff hat international Schlagzeilen gemacht, unter anderem die britische BBC und die US-Zeitung «New York Times» berichteten darüber. Die Attacke löste auch eine Debatte über das angespannte Verhältnis von Kunst und Kritik aus. «Gute, verantwortungsvolle Kritik ist gefährdet», meinte Berman, «polarisierende Äußerungen erzeugen mehr Aufmerksamkeit, mehr Klicks». Selbstverständlich entschuldige oder rechtfertige der auf Künstlern lastende Druck keine Übergriffe jeglicher Art.

Die Staatstheater Hannover GmbH wird vom Land Niedersachsen finanziert, Kulturminister Falko Mohrs ist Aufsichtsratsvorsitzender. «Die sofortige Trennung von Marco Goecke ist nach seinem völlig inakzeptablen Verhalten unausweichlich», sagte der SPD-Politiker. Eine Vertragsauflösung schaffe sofortige Klarheit. Mohrs hatte zuvor wie bereits auch Berman die Journalistin Wiebke Hüster um Entschuldigung gebeten.

Goecke ist auch Artist in Residence im Theaterhaus Stuttgart. Dort muss er keine Folgen für sein Engagement befürchten, wie eine Sprecherin von Gauthier Dance, der Compagnie des Theaterhauses, bereits am Montag sagte. Auch das Nederlands Dans Theater will seine Tour mit Goeckes Stück «In the Dutch Mountains» fortsetzen.

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