Disc-Golf in Minden Wenn an der Weser in Minden die Scheiben schwabbeln Ein erster Erfahrungsbericht / Profi "Hartl" zeigt Haltung von Fingern und Körper Von Oliver Plöger Minden (mt). Ich bin ein Flugzeug. Und die flache Scheibe, die ich am ausgestreckten Arm in der Hand halte, ist ein Höhenruder. Damit balanciere ich das "Arbeitsgerät" aus. Mein Fluglehrer ist noch nicht ganz zufrieden - und ich auch nicht. Na ja, in Wirklichkeit ist er gar kein Fluglehrer. Der Mann heißt Hartmut Wahrmann und bringt mir gerade Disc-Golf bei.Und das ist eine Herausforderung, nicht nur für ihn und mich, auch für die 25 Mitstreiter, die sich zwei Stunden zuvor im Vereinsheim des MTV 1860 getroffen hatten. Wahrmann - Disc-Golf-Weltmeister 1997 in Helsinki - hatte über die ältesten Frisbee-Darstellungen in Höhlenmalereien gesprochen, von den gelangweilten Mitarbeitern einer Kuchenfabrik in Amerika, die sich die Backformen zuwarfen. Um 1871 war das. Und dann von den ersten richtigen Frisbee-Scheiben in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Und davon, dass er selbst seit 1979 Frisbee spielt, seit 1993 Disc-Golf. Ein paar Kunststücke hatte er vorgeführt - extra fürs Mindener Tageblatt - und dann, endlich, ging es nach draußen.Und jetzt stehe ich hier und kann nicht anders: Auf möglichst gerader Flugbahn soll ich den gelben Frisbee werfen. Gut gesagt. "Wenn die Scheibe schwabbelt, war zu viel Handgelenk drin", meint Wahrmann, der eigentlich nur "Hartl" genannt wird. Noch habe ich kein konkretes Ziel, ich soll einfach nur werfen - und ich werfe. Der Frisbee fliegt alles andere als gerade. Er schwabbelt zwar nicht, aber er geht in die Kurve und landet fast schon an den Wohnmobilen nebenan. Das muss besser werden.In Reih und Glied stehen wir auf der Weide, im Rücken die Glacis-Brücke, weit vor uns ein Lkw-Tieflader, den wir aber nie erreichen werden.Wir werfen, gucken hinterher wie Tenniszuschauer dem Ball (nur in eine Richtung), laufen ins "Zielgebiet", holen die Scheiben zurück und werfen wieder.Passanten bleiben auf der Brücke stehen, manche schauen interessiert, andere schütteln mit dem Kopf. Schon wieder so ein Trend.Stimmt - ein Trend. Stadt und Sportverein hatten sich dafür stark gemacht, Sabine Hauptmeier als Projektentwicklerin für Kanzlers Weide ist beim Workshop dabei, auch MTV-Chef Herbert Beuge und Dr. Ruven Kleine, Ideengeber für die 18-Bahn-Anlage.Alle sind sich einig: ein toller Sport, faszinierend, schnell, und ein Sport, der Geselligkeit stärkt - wir spielen nicht gegeneinander, wir spielen miteinander. Disc Golf macht Spaß.Das alles merke ich auch gerade - denn so langsam habe ich mich an den Wurfablauf gewöhnt. Jetzt schieben wir noch eine Übungseinheit mit dem am Korb eingeklinkten Expander ein: Kräftig ziehen, das Standbein belasten und mit einem Ruck nach hinten. Da holst du Kraft, da holst du Geschwindigkeit. Fehlt nur noch die Zielsicherheit.Auch die testen wir direkt am Pole-Hole, dem Korb mit Ketten. Zuerst vier Meter davor (da trifft fast jeder), dann immer weiter weg, zehn Meter, 20, 30. Jetzt trifft nur noch Hartl. Irgendwann habe auch ich den Dreh raus, komme ziemlich nah dran und habe plötzlich gar keine Lust mehr auf die Mittagspause.Geradeaus und möglichst weitVon drei wesentlichen Wurfformen spricht der Mann aus Lünen: Geradeaus und möglichst weit, Kurvenwürfe und schließlich Spezialwürfe.>Die sind eine Wissenschaft für sich: Beim "Wedge Spot" etwa wird die Scheibe "falsch herum" genommen, der Spieler macht den Rückhandwurf, die Disc ist stark nach links geneigt. Korrekt ausgeführt können hohe Hindernisse überwunden werden. Und Hindernisse, so Hartl, machen eine Bahn erst interessant.So wie die in Minden. Da gibt es etwa Strafzonen ("Out of Bounds"), Zäune um die Körbe herum, Bäume wie auf Bahn sechs oder die Brücke selbst. Bei der gilt: Werfen nur, wenn niemand drauf ist! Außerdem darf diese Bahn bei stärkerem Wind nicht gespielt werden. Bei Dunkelheit auch nicht und bei Gewitter.Bei uns weht nur ein laues Lüftchen. Und mittlerweile sind wir ein eingeschworener Haufen. Schiedsrichter brauchen wir nicht "Die Spieler kontrollieren sich selber", sagt Hartmut Wahrmann. Und das gelte im Übrigen auch für die Sicherheit. Auf die Frage, ob die Mitstreiter Helme tragen sollen, sagt Hartl, der als Profi bundesweit Workshops gibt: "Nee, den Kopf kannst du ja schnell wegziehen."Glück haben am Samstag die Kamerafrau vom MT und die Kamera selbst. Haarscharf fliegt die Untertasse vorbei. Tja - da hat wieder irgendeiner schräg geworfen. Ungewollt. Ich war das nicht, ich kann jetzt fliegen. Irgendwie.Das ist Disc Golf in MindenDie neue Mindener Disc-Golf-Anlage ist die einzige im Umkreis von 60 Kilometern. Erst in diesem Jahr wurde eigens eine Disc-Golf-Abteilung im MTV 1860 Minden gegründet. Praktisch: Die Anlage auf Kanzlers Weide befindet sich in direkter Nachbarschaft zum MTV-Vereinsheim auf der anderen Weserseite.Wer hier spielt, sollte sich im MT oder auf den Internetseiten des MTV - hier speziell Facebook - informieren, ob die Spielfläche nicht gerade überflutet ist. Das kommt fast jährlich für einige Tage vor.Zum Spiel auf der Disc-Bahn sind alle Interessierten eingeladen. Der Parcours steht jedem kostenlos zur Verfügung. Auch für ein Schnuppertraining ist keine Mitgliedschaft im Verein notwendig. Wer will, kann natürlich auch am MTV-Vereinsprogramm teilnehmen.Öffentliche Trainingszeiten sind bis Oktober montags ab 17.30 Uhr, von November bis März sonntags ab 13.30 Uhr.Neben den regelmäßig geplanten Jedermann-Turnieren veranstaltet der MTV ab 2014 Turniere mit verschiedenen Alterskategorien für erfahrenere Disc-Golfer. Dazu werden vereinsinterne Turniere ebenso wie ein C-Turnier der "German Tour" gehören. Warum nicht? Vielleicht wird ja mal eine Deutsche Disc-Golf-Meisterschaft in Minden gespielt. (plö)
Disc-Golf in Minden

Wenn an der Weser in Minden die Scheiben schwabbeln

Minden (mt). Ich bin ein Flugzeug. Und die flache Scheibe, die ich am ausgestreckten Arm in der Hand halte, ist ein Höhenruder. Damit balanciere ich das "Arbeitsgerät" aus. Mein Fluglehrer ist noch nicht ganz zufrieden - und ich auch nicht.

Na ja, in Wirklichkeit ist er gar kein Fluglehrer. Der Mann heißt Hartmut Wahrmann und bringt mir gerade Disc-Golf bei.

An der Weser schwabbeln die Scheiben - © MINDEN
An der Weser schwabbeln die Scheiben - © MINDEN

Und das ist eine Herausforderung, nicht nur für ihn und mich, auch für die 25 Mitstreiter, die sich zwei Stunden zuvor im Vereinsheim des MTV 1860 getroffen hatten. Wahrmann - Disc-Golf-Weltmeister 1997 in Helsinki - hatte über die ältesten Frisbee-Darstellungen in Höhlenmalereien gesprochen, von den gelangweilten Mitarbeitern einer Kuchenfabrik in Amerika, die sich die Backformen zuwarfen. Um 1871 war das. Und dann von den ersten richtigen Frisbee-Scheiben in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Und davon, dass er selbst seit 1979 Frisbee spielt, seit 1993 Disc-Golf. Ein paar Kunststücke hatte er vorgeführt - extra fürs Mindener Tageblatt - und dann, endlich, ging es nach draußen.

Und jetzt stehe ich hier und kann nicht anders: Auf möglichst gerader Flugbahn soll ich den gelben Frisbee werfen. Gut gesagt. "Wenn die Scheibe schwabbelt, war zu viel Handgelenk drin", meint Wahrmann, der eigentlich nur "Hartl" genannt wird. Noch habe ich kein konkretes Ziel, ich soll einfach nur werfen - und ich werfe. Der Frisbee fliegt alles andere als gerade. Er schwabbelt zwar nicht, aber er geht in die Kurve und landet fast schon an den Wohnmobilen nebenan. Das muss besser werden.

In Reih und Glied stehen wir auf der Weide, im Rücken die Glacis-Brücke, weit vor uns ein Lkw-Tieflader, den wir aber nie erreichen werden.

Konzentriert, aber laut Hartl etwas zu verbissen: Mein Wurfversuch beim ersten Workshop.
Konzentriert, aber laut Hartl etwas zu verbissen: Mein Wurfversuch beim ersten Workshop.

Wir werfen, gucken hinterher wie Tenniszuschauer dem Ball (nur in eine Richtung), laufen ins "Zielgebiet", holen die Scheiben zurück und werfen wieder.

Passanten bleiben auf der Brücke stehen, manche schauen interessiert, andere schütteln mit dem Kopf. Schon wieder so ein Trend.

Stimmt - ein Trend. Stadt und Sportverein hatten sich dafür stark gemacht, Sabine Hauptmeier als Projektentwicklerin für Kanzlers Weide ist beim Workshop dabei, auch MTV-Chef Herbert Beuge und Dr. Ruven Kleine, Ideengeber für die 18-Bahn-Anlage.

Alle sind sich einig: ein toller Sport, faszinierend, schnell, und ein Sport, der Geselligkeit stärkt - wir spielen nicht gegeneinander, wir spielen miteinander. Disc Golf macht Spaß.

Das alles merke ich auch gerade - denn so langsam habe ich mich an den Wurfablauf gewöhnt. Jetzt schieben wir noch eine Übungseinheit mit dem am Korb eingeklinkten Expander ein: Kräftig ziehen, das Standbein belasten und mit einem Ruck nach hinten. Da holst du Kraft, da holst du Geschwindigkeit. Fehlt nur noch die Zielsicherheit.

Gemeinschaftserlebnis: Profi Hartmut "Hartl" Wahrmann (r.) leitet den Workshop auf Kanzlers Weide. MT- - © Fotos: Doris Christoph/Oliver Plöger
Gemeinschaftserlebnis: Profi Hartmut "Hartl" Wahrmann (r.) leitet den Workshop auf Kanzlers Weide. MT- - © Fotos: Doris Christoph/Oliver Plöger

Auch die testen wir direkt am Pole-Hole, dem Korb mit Ketten. Zuerst vier Meter davor (da trifft fast jeder), dann immer weiter weg, zehn Meter, 20, 30. Jetzt trifft nur noch Hartl. Irgendwann habe auch ich den Dreh raus, komme ziemlich nah dran und habe plötzlich gar keine Lust mehr auf die Mittagspause.

Geradeaus und möglichst weit

Von drei wesentlichen Wurfformen spricht der Mann aus Lünen: Geradeaus und möglichst weit, Kurvenwürfe und schließlich Spezialwürfe.

>Die sind eine Wissenschaft für sich: Beim "Wedge Spot" etwa wird die Scheibe "falsch herum" genommen, der Spieler macht den Rückhandwurf, die Disc ist stark nach links geneigt. Korrekt ausgeführt können hohe Hindernisse überwunden werden. Und Hindernisse, so Hartl, machen eine Bahn erst interessant.

So wie die in Minden. Da gibt es etwa Strafzonen ("Out of Bounds"), Zäune um die Körbe herum, Bäume wie auf Bahn sechs oder die Brücke selbst. Bei der gilt: Werfen nur, wenn niemand drauf ist! Außerdem darf diese Bahn bei stärkerem Wind nicht gespielt werden. Bei Dunkelheit auch nicht und bei Gewitter.

Bei uns weht nur ein laues Lüftchen. Und mittlerweile sind wir ein eingeschworener Haufen. Schiedsrichter brauchen wir nicht "Die Spieler kontrollieren sich selber", sagt Hartmut Wahrmann. Und das gelte im Übrigen auch für die Sicherheit. Auf die Frage, ob die Mitstreiter Helme tragen sollen, sagt Hartl, der als Profi bundesweit Workshops gibt: "Nee, den Kopf kannst du ja schnell wegziehen."

Glück haben am Samstag die Kamerafrau vom MT und die Kamera selbst. Haarscharf fliegt die Untertasse vorbei. Tja - da hat wieder irgendeiner schräg geworfen. Ungewollt. Ich war das nicht, ich kann jetzt fliegen. Irgendwie.

Das ist Disc Golf in Minden
Die neue Mindener Disc-Golf-Anlage ist die einzige im Umkreis von 60 Kilometern. Erst in diesem Jahr wurde eigens eine Disc-Golf-Abteilung im MTV 1860 Minden gegründet. Praktisch: Die Anlage auf Kanzlers Weide befindet sich in direkter Nachbarschaft zum MTV-Vereinsheim auf der anderen Weserseite.

Wer hier spielt, sollte sich im MT oder auf den Internetseiten des MTV - hier speziell Facebook - informieren, ob die Spielfläche nicht gerade überflutet ist. Das kommt fast jährlich für einige Tage vor.

Zum Spiel auf der Disc-Bahn sind alle Interessierten eingeladen. Der Parcours steht jedem kostenlos zur Verfügung. Auch für ein Schnuppertraining ist keine Mitgliedschaft im Verein notwendig. Wer will, kann natürlich auch am MTV-Vereinsprogramm teilnehmen.

Öffentliche Trainingszeiten sind bis Oktober montags ab 17.30 Uhr, von November bis März sonntags ab 13.30 Uhr.

Neben den regelmäßig geplanten Jedermann-Turnieren veranstaltet der MTV ab 2014 Turniere mit verschiedenen Alterskategorien für erfahrenere Disc-Golfer. Dazu werden vereinsinterne Turniere ebenso wie ein C-Turnier der "German Tour" gehören. Warum nicht? Vielleicht wird ja mal eine Deutsche Disc-Golf-Meisterschaft in Minden gespielt. (plö)

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