
DIE WIRTSCHAFT IN DER REGION 3
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Allzu oft ist Wirtschaft kaum mehr als ein abstrakter
Begriff. Eine Überschrift für den Versuch, ein Netz an
unterschiedlichen Branchen, Interessen, Abhängigkeiten
und Bedürfnissen zusammenzufassen. Das Ergebnis
sind Statistiken wie das Bruttoinlandsprodukt,
Arbeitsmarktzahlen, Konjunkturindizes oder Außenhandelsbilanzen.
Und trotzdem kann der Versuch
einer einzelnen großen Klammer in der Praxis nur
scheitern. In den zurückliegenden Coronajahren ist
das besonders deutlich geworden: Wenn die Industrie
oder der Bau boomen, die Gastronomie aber gleichzeitig
am Boden liegt, kann unter dem Strich noch
immer ein Wachstum stehen. Für den Onlinehandel
und die Fußgängerzonen gilt das analog. Ist es aber
wirklich ein gutes Jahr, wenn insgesamt zwar die Umsätze
wachsen, aber trotzdem zahllose kleine Betriebe
für immer schließen? Wohl kaum.
So einschneidend die Pandemie auch war, an dieser
grundsätzlich abstrakten Sichtweise hat sich wenig
geändert. „Die Wirtschaft“ bleibt meist etwas Fremdes,
kaum Greifbares.
„Die Wirtschaft“,
das sind eben nicht
„wir“. Je nach Job
oder Arbeitgeber
kann es mir in der
Krise gutgehen oder
im Boom schlecht.
Die Probleme in den
weltweiten Lieferketten
haben bestenfalls
angedeutet, dass Wirtschaft vielleicht doch mehr
ist als ein diffuses Sammelbecken. Doch die konkreten
persönlichen Auswirkungen waren noch immer
überschaubar. Dann wird das neue Auto eben ein paar
Monate später ausgeliefert.
Und dann kam der Krieg.
Plötzlich ist Wirtschaft nicht mehr abstrakt. Und deren
Probleme schon gar nicht. Wenn der Liter Diesel
plötzlich 2,37 Euro kostet, ist das schon für den privaten
Geldbeutel schlimm. Für den Spediteur, der die
Supermärkte mit Lebensmitteln beliefert, ist es fatal.
Für ihn gibt es keine überflüssigen Fahrten, auf die er
verzichten könnte. Er kann auch nicht auf den ÖPNV
ausweichen oder das Fahrrad nehmen. Das gleiche gilt
für den Landwirt, der erst dafür sorgt, dass die Lebensmittel
überhaupt entstehen, die später auf dem Lkw
transportiert werden können. Und schlagartig ist klar:
„Die Wirtschaft“ ist alles andere als abstrakt.
Der Gedanke, dass sich Krisen wie Corona oder gar ein
Krieg wie in der Ukraine ganz direkt auf jeden Einzelnen
auswirken, ist erschreckend. Aber er kann in
diesen dunklen Zeiten auch Mut machen, weil damit
auch jeder Einzelne selbst Einfluss bekommt auf das
System „Wirtschaft“. Im schlechtesten Fall mit Hamsterkäufen,
die aus einem befürchteten erst einen tatsächlichen
Mangel machen. Im besten Fall aber mit
einer Besinnung auf ein bewussteres Leben, auf mehr
Nachhaltigkeit und einen sparsameren Umgang mit
Energie.
Mit diesen Fragen beschäftigen sich derzeit nicht
nur Verbraucher, sondern auch große und kleine
Unternehmer in Deutschland wie im Mühlenkreis
Minden-Lübbecke. Wie sie mit der nicht enden wollenen
Krisenzeit umgehen, mit welchen Ideen sie in
die Zukunft blicken wollen, darum geht es in dieser
Ausgabe von „Menschen Macher Märkte“.
Ich wünsche Ihnen eine interessante und ermutigende
Lektüre.
Henning Wandel
Lokalredaktion/ Stv. Ressortleitung
EDITORIAL
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Als am 13. März das öffentliche Leben im
Mühlenkreis plötzlich stillsteht, ahnt sicher
kaum jemand, wie sich die folgenden Monate
entwickeln würden. Schulen schließen,
Sportvereine sagen ihren Trainings- und Wettkampfbetrieb
ab und auch andere Gruppen
können sich nicht mehr treffen. Die Menschen
müssen reagieren, ihren Alltag umkrempeln
– Beruf und Kinderbetreuung unter einen
Hut bringen und Schulkinder bei ihren Aufgaben
betreuen. Und als sich der erste ganz private
Schock ein wenig gesetzt hat, folgt gleich
der nächste: Was wird aus dem Job? Darf ich
morgen noch ins Büro? Auf die Baustelle? In
die Fabrik?
Immer wieder gibt es neue Lösungen – und jeder
Lösung folgt ein neues Problem. Die Kurzarbeit
sichert den Job, aber wie lange reichen die
Rücklagen, um auch mit einem geringeren Einkommen
alle Rechnungen zu bezahlen? Die Soforthilfe
sichert dem Solo-Selbstständigen zunächst
die Existenz, aber wofür darf das Geld eingesetzt
werden?
In vielen Fällen
liegt es auf der
hohen Kante,
weil die Antwort
darauf wie
so Vieles offen
ist.
Und doch
zeigt sich in
dieser unsicheren
Zeit auch,
welche Chancen
in einer Krise stecken. Die Digitalisierung
macht aus der Not heraus praktisch über Nacht
einen nicht für möglich gehaltenen Satz in die
Zukunft. Von zu Hause arbeiten, Besprechungen
in Video-Konferenzen, studieren in Online
Arbeitsgruppen, Schulunterricht auf dem
Laptop – und irgendwie funktioniert es am Ende
viel besser, als nach den ewigen Diskussionen
über Datensicherheit und Work-Life-Balance
zu erwarten gewesen wäre. Dabei sind
es nicht nur die Bürojobs, die ins Virtuelle verlagert
werden. Auch das Handwerk entdeckt
vermehrt die digitalen Möglichkeiten, Ausbildungsplätze
werden weiter angeboten und besetzt.
Auch Mindener Unternehmen investieren
Millionen in den Standort
Der Umgang mit der Pandemie könnte also
eine Erfolgsgeschichte sein. Doch nicht alle
können ihr Geschäft ins Netz verlagern. Der Besuch
des Lieblingsrestaurants, die Tour mit
Freunden durch Kneipen und Discos, Familienfeiern
und Urlaubsreisen lassen sich nicht digitalisieren.
Gerade das Gastgewerbe und die Tourismusbranche
leiden also weiterhin schwer
unter der Krise. Von den Hotels und Gaststätten
könnte nach der Krise gut ein Drittel verschwunden
sein, sagen Experten wie zuletzt der
Mindener Hotelier und Dehoga-Präsident in
NRW, Bernd Niemeier.
Und während Unternehmen und öffentliche
Hand nach Lösungen suchen, die Betriebe
(und damit die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen)
durch die Krise zu lotsen, wird gerade
am Freizeitverhalten deutlich, dass alle eine gemeinsameVerantwortunghaben.
WenndieMissachtung
von Regeln zu Sperrstunden und Beherbergungsverboten
führt, ist der kurze Rausch
teuer erkauft.
Die Folgen der Corona-Pandemie sind auch
ein halbes Jahr nachdem sie den Mühlenkreis
erreicht hat, nicht abzusehen - Wirtschaftsvertreter
erwarten noch mindestens
weitere sechs Monate Unsicherheit. Und dennoch–
odergeradedeshalb– arbeiten die Unternehmen
gemeinsam mit ihren Mitarbeitern an
der Zukunft. Wie sie das tun, darum geht es in
dieser Ausgabe von „Menschen Macher Märkte“.
Ich wünsche Ihnen eine interessante und
hintergründige Lektüre.
Henning Wandel
Lokalredaktion / Stv. Ressortleitung